Tecart BG dunkel

Business Angel Peter Dewald im Interview bei TecArt

In unserer Interviewreihe #TecArtTrifft sitzen wir für Sie gemeinsam mit Politikern, Entscheidern und Meinungsmachern aus Thüringen und Deutschland an einem Tisch. Wir wollen aus verschiedenen Perspektiven wissen, was Sie als regionale Unternehmer beschäftigt und was getan werden muss, damit Sie sich im Wettbewerb mit nationalen und internationalen Unternehmen verbessern.

Wirtschaft und Digitalisierung – Was müssen Klein- und mittelständische Unternehmen mit regionalen Strukturen tun, um Angriffen junger internationaler Unternehmen im Zeitalter der Digitalisierung entgegenzuhalten? Im Interview dürfen wir diesmal Peter Dewald begrüßen. Der ehemalige Geschäftsführer von Apple Deutschland und Sage Deutschland und aktuell erfolgreicher Business Angel mit Dewald-Consult , nahm sich die Zeit uns ein paar Fragen zu beantworten.

peter-dewald Im Interview bei #TecArtTrifft, Peter Dewald. Der ehemalige Geschäftsführer von Sage und Apple Deutschlan berät heute mit Dewald Consult Gründer und etablierte Unternehmer (Foto: Sage Software GmbH)

Keine Branche hat sich in den letzten Jahren so rasant entwickelt wie die IT-Branche. Was heute neu ist, kann morgen schon wieder alt sein. Immer mehr Start-Ups, vor allem aus den USA machen Mittelstandsunternehmen mit regionalen Strukturen starke Konkurrenz. Im Gros wird von „disruptiven Innovationen“ gesprochen, die langjährig etablierte Geschäftsmodelle angreifen.

Thomas Fischer: Herr Dewald, wie ist ihre Einschätzung zum Start-Up-Boom? Sind diese Konzepte langfristig auf der Erfolgsspur oder sind sie so schnell weg, wie sie gekommen sind?

Peter Dewald: „Disruptive Innovationen“ und damit Startups gibt es nicht erst seit gestern, und nicht nur in der IT-Industrie, sondern auch in der Medizin, im Handel etc. Startups sind in der Regel eine Folge technologischen oder auch gesellschaftlichen Fortschritts, entsprechend gibt es sie schon seit der Erfindung des Buchdrucks. Insofern sind Startups keine aktuelle Modeerscheinung, es wird sie auch weiterhin geben. Das bedeutet natürlich nicht, dass alle Startups gleichermaßen erfolgreich sein werden – die besten werden groß und stark, die weniger guten werden oft wieder verschwinden.

Thomas Fischer: Glaubt man der allgemeinen Lehre der Vorzeige Startups Airbnb, Uber und PayPal stehen die neuen „disruptiven Geschäftsmodelle“ in starker Konkurrenz zum Mittelstand. Sehen Sie in dieser Belebung des Wettbewerbs eher eine Gefahr oder eine Chance für KMU?

Peter Dewald: Alle Startups sind erst mal KMUs, kaum ein Startup beginnt mit 10 Mitarbeitern, das gilt auch für die USA. Insofern ist der Wettbewerb nicht zwischen Startup und Mittelstand, sondern zwischen Innovation und Erfolgswillen gegenüber „haben wir schon immer so gemacht“, und das ist gleichermaßen im Mittelstand und Konzernen der Fall.

Christian Fischer: Aktuell schaffen Start-Ups viele neue Arbeitsplätze. Diese beschränken sich aber eher auf die deutschen Metropolen wie Berlin, München oder Hamburg. Halten Sie es für möglich, dass Start-Ups im gleichen Maß wie KMU in der regionalen Peripherie Arbeitsplätze schaffen.

Peter Dewald: Da Startups oft im Umfeld guter Universitäten entstehen, entstehen sicherlich eine größere Anzahl neuer Arbeitsplätzen in Metropolen. Auf lange Sicht ist aber für Arbeitsplätze entscheidend, dass Qualifizierung, Infrastruktur und Kosten an einem Standort stimmen - und da ist Deutschland mit seinen doch sehr dezentralen Strukturen an sich recht gut aufgestellt, um auch dezentral Arbeitsplätze entstehen zu lassen.

Christian Fischer: Was muss Ihrer Meinung nach aus politscher Sicht getan werden, damit die Digitalisierung einen positiven und nachhaltigen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen hat? Und zwar nicht nur in den Metropolen.

Peter Dewald: Ich denke nicht dass Digitalisierung nur in Metropolen stattfindet, das ist sehr wohl auch in Unternehmen außerhalb der Metropolen ein Thema. Digitalisierung erfolgreich zu machen, braucht zwei wesentliche Voraussetzungen:

  1. Leistungsfähige, flächendeckende digitale Infrastruktur: Hier ist Deutschland gerade aufgrund seiner sehr dezentralen Strukturen im Nachteil, da Breitbandnetze in Metropolen natürlich günstiger zu errichten sind als auf dem Lande.
  2. Entsprechende digitale Kompetenz: Hier ist natürlich der Schwerpunkt insbesondere in der Ausbildung. Die Anzahl der Absolventen in MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) entspricht aktuell nicht der Nachfrage. Das ist u.a. auch ein gesellschaftliches Problem. Die Attraktivität der MINT-Fächer und die Anerkennung für Leistung in diesen Fächern müssen deutlich erhöht werden. Es darf nicht sein, die immer weniger werdenden technisch gut ausgebildeten und engagierten jungen Leute despektierlich als „Nerds“ bezeichnet werden, statt sie als Pioniere der Entwicklung zu betrachten. Das braucht einen entsprechenden Wandel insbesondere in den Medien ( ja, auch den öffentlich-rechtlichen…)

Digitalisierung ist nach wie vor in aller Munde und das große Thema der Stunde. Deutsche IT-Unternehmen und Softwarehersteller bieten bereits umfangreiche Lösungen, Unternehmen und die darin verwurzelten Prozesse digital abzubilden sowie deutlich zu vereinfachen, den Kundennutzen spürbar zu erhöhen sowie die Kommunikation im Unternehmen zu verbessern. Auf der einen Seite stehen Mittel und Wege der Digitalisierung zur Verfügung, auf der anderen Seite sind die Umfragewerte doch sehr ernüchternd. Deutschen Unternehmen wird nachgesagt, sie sind zu langsam, zu unflexibel und in alten Denkweisen verhaftet – Unternehmer wie auch Angestellte.

Christian Fischer: Digitalisierung muss Chefsache sein! Darin sind sich mittlerweile alle Experten aus Wirtschaft und Politik einig. Doch es herrscht Uneinigkeit, was das nun genau bedeutet. Was bedeutet es aus Ihrer langjährigen Erfahrung im Top Management von Apple und Sage?

Peter Dewald: Digitalisierung ist ein Change-Prozess, der in der Tat den Chef als Initiator und Evangelisten braucht. Es geht darum, die Notwendigkeit der Veränderung bewusst zu machen, einen Masterplan zu entwickeln und umzusetzen, um die entsprechenden Bereiche der Wertschöpfungskette zu digitalisieren. Das braucht in der Regel zumindest einige zusätzliche neue Kräfte, um eben das „haben wir schon immer so gemacht“-Denken mit neuen Ideen in Frage zu stellen.

Christian Fischer: Oft wird, wenn es um die positiven Effekte der Digitalisierung geht, von der „German Angst“ gesprochen. Besonders der Mittelstand tut sich wohl schwer mit dem Umbruch im eigenen Unternehmer. Geschäftsführern wie Angestellten wird nachgesagt zu unflexibel oder gar ängstlich zu sein. Teilen Sie diese Ansicht?

Peter Dewald: Für die Mehrheit leider JA! Aber es sollte nicht vergessen werden, dass es auch sehr gut aufgestellte Unternehmen gibt. Gerade im B2B-Bereich im Umfeld der Automobilindustrie oder im Bereich des Handels.

Thomas Fischer: Welche Tipps können Sie Geschäftsführern und Abteilungsleitern geben, damit diese Digitalisierung als Chefsache vorantreiben können?

Peter Dewald: Sich ernsthaft mit den anstehenden Fragen auseinandersetzen, konsequent kommunizieren und vorleben, vorleben, vorleben…

Thomas Fischer: Schaut man sich Sigmar Gabriels Digital Agenda 2025 an, fällt auf, dass vor allem Start-Ups mit Wagniskapital ausgestattet werden. Kommt bei all dem Digitalisierungsaktionismus nicht der traditionelle Mittelstand im produzierenden und Dienstleistungsgewerbe zu kurz?

Peter Dewald: Möglicherweise schon, aber da Disruption selten aus etablierten Unternehmen kommt, da natürlich die Balance mit dem bestehenden Geschäft eine Rolle spielt, braucht es in erheblichem Maße neue Firmen die ohne Rücksicht auf Bestehendes, Neues entwickeln und umsetzen können. Wie gesagt, das ist die natürliche Entwicklung in der Wirtschaft und nicht erst ein Phänomen unserer Zeit.

Christian Fischer: Viele der „dispruptiven Geschäftsmodelle“ basieren auf einer Plattformökonomie. In vielen Branchen macht es eine „Supply-Chain“ erst möglich. Doch wie können KMU aus dem produzierende Gewerbe davon profitieren?

Peter Dewald:Hier sollte man unterscheiden zwischen Plattform und Supply-Chain, da diese nicht zwingend miteinander verbunden sind. Eine Plattform ermöglicht es ja allen Interessierten, an einer Transaktion teilzunehmen, und das mit höchster Transparenz ( z.B. Hotelportale). Natürlich bedeutet dies, dass das eigene Angebot sehr differenziert zum Wettbewerbern sein muss, und/oder das Preis-Leistungsverhältnis besser sein muss. Wer das nicht schafft, hat natürlich auf einer Plattform auf Dauer schlechte Karten. Aber das wäre auch ohne Plattform kein nachhaltiges Geschäftsmodell.

Die Supply-Chain hat sich in der Tat in den letzten Jahren sehr stark entwickelt. Hier müssen Prozesse und IT-Ausstattung der Unternehmen entsprechend darauf abgestimmt sein, um von komplexen Supply-Chains zu partizipieren (automatische Bestellauslösung mit elektronischem Dokumentenaustausch, Echtzeit-Lagerinventur, etc.)

Christian Fischer: Es gibt nicht nur optimistische Stimmen beim Thema Digitalisierung und der einhergehenden Automatisierung durch Künstliche Intelligenz und Robotisierung. Viele Arbeitnehmer fürchten dem künftigen Arbeitsmarkt nicht mehr gewachsen zu sein. Sogar zwei prominente Unternehmer aus der ITK-Branche haben hierzu Stellung bezogen. Herr Bernd Leukert; SAP Vorstand und Telekom Chef Timotheus Höttges plädieren für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Finanziert werden, soll das ganze aus Gewinnen von großen Internetfirmen – sprich den Gewinnern der Umwälzung von Geschäftsmodellen der letzten 10 Jahre. Wie ist Ihre Sicht als Unternehmer auf diese Aussagen?

Peter Dewald: Wie immer bei Disruption gibt es eine Veränderung in den Anforderungen an die Qualifikation der Beteiligten oder gar eine Verschiebung in andere Branchen. Das war schon bei der Erfindung des Buchdrucks so, und hat sich über Elektrizität und Informationstechnologie noch beschleunigt. Die Erwartung, ein gesamtes Arbeitsleben ohne Weiterbildung und Veränderung zu bestehen ist mittlerweile wenig realistisch. Daher sind in der Tat erhebliche Anstrengungen zur Weiterbildung von Mitarbeitern notwendig, als gemeinsame Aufgabe von Wirtschaft und Politik. Wo das nicht reicht, werden sicherlich die Sozialsysteme gefordert sein. Im übrigen hat gerade Deutschland während der letzten 30-40 Jahre gezeigt, dass es sehr wohl erhebliche Disruptionen in der Wirtschaft (Verfall der Montanwirtschaft , Automatisierung und Roboterisierung im KFZ- und Maschinenbau, Atomausstieg/Energiewende), meistern kann. Auch bei disruptiven Veränderungen gilt: „wo sich eine Tür schließt, gehen viele andere auf – man muss sie nur durchschreiten“…

Alle schauen beim Thema Digitalisierung nach Silicon Valley, USA, und seinem schier unerschöpflichen Potenzial an Investoren. Die meisten Produkte von dort werden hier gehyped und fluten den deutschen Markt. Viele Investitionsgelder im IT-Bereich fließen nach Übersee, Deutsche IT-Unternehmen und Softwarehersteller bieten gleiche und gar besser Leistungen/Lösungen an, sind aber bei Weitem nicht so bekannt und gehyped. Zudem bleiben Unternehmensdaten im Normalfall in Deutschland – Stichwort Datenschutz/-sicherheit/Wirtschaftsspionage

Peter Dewald: Wenn ein Bedarf für ein Angebot existiert und dieses effizient kommuniziert und auch ausgeführt wird, wird es sich erfolgreich etablieren – wenn es keinen Bedarf gibt oder die Umsetzung unzureichend ist, wird man es auch politisch nicht erfolgreich machen können (siehe aktuelle Situation bei e-Autos – Angebot/Nutzen entspricht nicht Kundenanforderungen, Infrastruktur ist nicht ausreichend vorhanden, Preis-/Leistungsverhältnis ist nicht attraktiv – das wird auch mit 100% Subvention kein Erfolg bevor die genannten Faktoren nicht geklärt sind).

Thomas Fischer: Wie schätzen Sie den Einfluss von US Konzernen auf den deutschen Markt ein? Sollte sich die Regierung für die Entwicklung der deutschen IT-Branche stärker einsetzen als bisher?

Peter Dewald: In einer freien Wirtschaft entscheidet der Konsument was er kauft, nicht die Politik, und dabei spielt die Herkunft des Angebots keine große Rolle. Die Politik muss der Wirtschaft insgesamt notwendige Rahmenbedingungen setzen. Der Rest liegt beim Unternehmer…

Christian Fischer: Was können Unternehmen aus Deutschland tun, um finanzielles wie auch fachliches Kapital im Land zu halten? Ist ein solches Vorhaben nur mit Unterstützung der Politik möglich oder stimmen die Rahmenbedingungen aktuell?

Peter Dewald: Mir ist nicht bewusst dass aus Deutschland in erheblichem Masse finanzielles oder fachliches Kapital nach Übersee abfließt – daher kann ich hier nicht befriedigend antworten.

In den USA ist es möglich auf Software basierende Geschäftsmodelle und Software an sich patentieren zu lassen. Bei uns wie auch in der gesamten EU gibt es keine Legaldefinition für „Software“ oder „Programme für Datenverarbeitungsanlagen“ im Urheberrechts- und Patentgesetz. Das macht einen Patentschutz nur gegen strikte Auflagen möglich. Einige US Großkonzerne sind sehr bestrebt diese Gesetze zur Patentierung von Software einzuführen zu lassen.

Thomas Fischer: Sollte es eine solche Gesetzesänderung geben, ist das gleichbedeutend mit einem Wettbewerbsnachteil für viele deutsche IT-Unternehmen. Sehen Sie das auch so?

Peter Dewald: Patente für Software sind ein sehr umstrittenes Thema, meine Erfahrung ist dass das deutsche Urheberrecht für den Schutz von Software völlig ausreicht. Unabhängig davon – sollte eine Patentierung ermöglicht werden, sind die Bedingungen für alle Teilnehmer gleich, daher sollte es dann keinen Wettbewerbsnachteil geben.

Vielen Dank, Herr Dewald.