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Agiles Personalmanagement: Mit Personalfluch(t) und Kindersegen auf Konfrontationskurs

zusammengefasste-geburtenziffern-2017 Bild: Zusammengefasste Geburtenziffer - Kinder je Frau nach Kalenderjahren vom Statistischen Bundesamt

Das statistische Bundesamt misst kontinuierlich die Geburtenrate in Deutschland. 2016 lag sie bei 1,59 Kindern je Frau - der absolute Höchststand seit 1973. (1) Und auch wenn dieser Wert im Jahr 2017 - mit einer kumulierten Geburtenziffer von 1,57 Kinder je Frau (2) - wieder leicht unterschritten wurde, befinden wir uns nach wie vor mitten im Babyboom. Dies ist keine wirkliche Neuigkeit, wenn man sich täglich slalomartig um Babybäuche und Kinderwagen durch die Stadt bewegt. Der Hauptgrund für den Anstieg ist simpel: Schließlich befindet sich die Babyboomer-Generation der 80er gerade im Reproduktionsmodus. Vor 20 Jahren noch wurde eine 25-jährige Frau schräg angesehen, wenn die erste Schwangerschaft neue Rundungen offenbarte. Heutzutage wird bei der Gleichen eher skeptisch nachgefragt, ob sie sich denn tatsächlich schon bereit fühlt für das erste Kind.

Aber in diesem Artikel soll es nur am Rande um den hausgemachten (oder eben auch nicht gemachten) demografischen Wandel gehen. Vielmehr sind brauchbare Strategien zur Personalbindung das Thema.

Der stetige Wandel im Erziehungsmanagement

Zurück in der Vergangenheit! Es gab einst eine klare Rollenaufteilung: Der Mann bzw. Partner verdient das Geld, die Frau hat das Kind bzw. die Kinder zu versorgen. Heute genießen und nutzen viele Männer ihre zwei Monate Elternzeit, wechseln sich mit der Partnerin in Teilzeitarbeit ab oder bleiben gleich ganz Zuhause. Auf diese Veränderung müssen sich Unternehmen vorbereiten. Zudem ist es jederzeit möglich, dass weitere Erziehungs(aus)zeiten in Anspruch genommen werden.

anna-kolosyuk-551398-unsplash Foto: Anna Kolosyuk auf Unsplash

Warum muss ich als Unternehmen wirklich etwas tun?

Die einfache Denke "Mein Mitarbeiter kommt doch sowieso zurück, also kann ich mich zurücklehnen." geht leider nicht mehr auf. Natürlich wird mit dem Arbeitgeber über die Dauer der Elternzeit und die Rückkehr gesprochen. Doch wenn ein Mitarbeiter bereits unzufrieden im Job ist, bevor es "endlich" in die Pause geht, ist sicher auch die Wiedersehensfreude getrübt. Unternehmen müssen lernen, wie man die Köpfe im Team behält. Ein Kind ist ein starker Indikator für Veränderung. Es ändert meist die komplette Weltanschauung. Plötzlich ist die loftartige Designer-Wohnung viel zu kalt und steckt voller Verletzungsgefahren. Ein eigenes Haus mit Garten und mehr Zeit für die Familie dominieren die eigenen Wünsche. Nicht umsonst berichten Blogs und Magazinen ständig von Menschen, die nach der Familiengründung einen radikalen Lebenswandel durchlaufen. So wird die erfolgreiche Führungskraft im Mediengeschäft zur Yoga-Lehrerin oder der ständig erreichbare Chirurg plötzlich zum Betreiber einer Landwirtschaft. Diese Präsentation von Einzelfällen können Mitarbeiter dazu inspirieren, sich noch mal neu zu erfinden. Vor dem Hintergrund des "War of Talents" sollten Unternehmen also zwingend gegensteuern, wenn Ihnen die Mitarbeiterbindung am Herzen liegt.

Wie komme ich als Unternehmen aus dieser Misere?

Trotz längerer mentaler Vorbereitung kommt der Ausstieg vom Job für den Betroffen dennoch überraschend. Fühlen sich die ersten Tage nach Urlaub an, können sich in den nächsten Wochen Selbstzweifel einstellen:

  • War es tatsächlich die richtige Entscheidung eine längere Pause einzulegen?
  • Vermissen mich meine Kunden, die Kollegen und der Chef?
  • Bin ich als Mitarbeiter denn einfach so ersetzbar?
  • Wer übernimmt meine Aufgaben oder bleibt nun vieles liegen?

Elternzeit heißt immer Abstand vom Job

... egal wie man zu seiner Arbeit steht. Der Arbeitgeber sollte den Kontakt zum Mitarbeiter auch in der Auszeit-Phase pflegen. Dies heißt nicht, dass Aufgaben an diesen outgesourct werden. Es müssen eher Angebote geschaffen werden, die den Mitarbeiter nach wie vor einbeziehen. Ob Sommerfeste, Weihnachtsfeiern oder ein gemeinsames Firmenfrühstück, dies alles sind Möglichkeiten, den Mitarbeiter über den Stand des Unternehmens zu informieren und sich umgekehrt ein Feedback von „außen“ zu holen. Newsletter (insbesondere interne Neuigkeiten) zeigen die Entwicklung sowie angestrebte Unternehmensziele auf. Regelmäßig informiert, gewinnt der Pausierenden eine gewisse Sicherheit und kann seine Optionen und Ideen für die spätere Rückkehr abstecken.

Im Prinzip handelt es sich um eine abgespeckte Form des " Onboardings " mit dem Vorteil, dass der Arbeitgeber den Mitarbeiter mit seinen Stärken und Schwächen bereits kennt. Natürlich sollte vor der Pause gefragt werden, ob diese Angebote auch interessant sind. Die Kontaktpflege kann über die private E-Mail-Adresse erfolgen, aber auch über einen zeitweise eingeschränkten Zugang zum Intranet oder der Unternehmenssoftware. Wenn der Mitarbeiter es möchte, kann er sich so einfach und selbstständig über den aktuellen Stand informieren. Eine Mischung aus Push- und Pull-Maßnahmen könnte hier das Mittel der Wahl sein. Und natürlich pflegen die Mitarbeiter auch während der Auszeit den privaten Kontakt zu den Kollegen und tauschen sich auf diesem Weg über den Stand im Unternehmen aus.

Einen Schritt weiter gehen Unternehmen, die Betreuungsplätze für den Nachwuchs oder das Arbeiten im Homeoffice anbieten. Insbesondere Betreuungsplätze sind durch den steigenden Kindersegen rar gesät. So ist es leider keine Seltenheit, dass freie Plätze erst nach mehr als einem Jahr verfügbar sind. Große Unternehmen "kaufen" sich daher zunehmend bei Kindergärten ein, um die Betreuungssituation für ihre Angestellten zu verbessern. Meist werden diese Plätze durch Losverfahren an Bedürftige vergeben. Vielerorts schließen sich mittlerweile kleinere Unternehmen zusammen, um eine oder mehrere Tagesmütter inkl. der passenden Räumlichkeiten zu finanzieren. Von der Idee, den Nachwuchs mit in das Unternehmen zu bringen, ist allerdings abzuraten. Dagegen sprechen nicht nur versicherungsrechtliche Gründe. Oftmals findet der Nachwuchs keine ausreichende Beschäftigung und lenkt das Elternteil und die Kollegen - ob unbewusst oder gewollt - erfolgreich von der Arbeit ab. Im Homeoffice sieht das meist schon etwas anders aus. Der Nachwuchs kann sich im wohlbekannten Umfeld austoben, was jedoch nicht gleichzeitig heißt, dass der Ablenkungsfaktor damit automatisch aus der Welt wäre. Doch das hängt sicherlich vom Charakter der Kinder und der eigenen Konzentrationsfähigkeit ab. Dennoch vermitteln solche Angebote dem Mitarbeiter eine gewisse (Planungs-)Sicherheit.

Wie wird das Comeback zum Kinderspiel?

"Flexibilität" heißt das Zauberwort, wenn die Rückkehr in den Job ansteht. Für die ersten Tage sind Maßnahmen zur Wiedereingliederung ratsam, die ein möglichst einfaches Zurechtfinden im ursprünglichen oder neuen Aufgabenbereich ermöglichen. Dabei sollten neue Strukturen und veränderte Arbeitsweisen, Prozesse und Informationssammlungen klar und strukturiert vorgestellt werden. Kleinere Aufgaben mit direktem Feedback schaffen erste Erfolgserlebnisse. Natürlich sind die Maßnahmen immer auch von der Abwesenheitsdauer, dem neuen und alten Aufgabenbereich sowie der eventuell neuen Arbeitszeit abhängig. Viele Angestellte gehen mit dem Nachwuchs erst mal in die Teilzeitbeschäftigung über.

Auch nach einer gelungenen Rückkehr muss weiterhin flexibel agiert werden. Kinder haben nicht selten ihre Schwierigkeiten damit, nach Urlaub, Feiertagen oder Krankheit in den (Kindergarten)Alltag zurückzufinden. Hier ist einfach Zeit und besondere Zuwendung nötig. Manchmal reicht schon nur ein schlechter Tag und die elterliche Unterstützung ist ganz besonders gefordert. Durch die Möglichkeit, Überstunden flexibel abzubauen oder Urlaubstage zu splitten, sind solche Fehlzeiten prima abfangbar. Im Gleitzeitmodell wird es möglich, Termine einfach in den späten Vormittag oder frühen Nachmittag zu legen, und so ausreichend Puffer zu generieren. Dies erfordert ein hohes Maß an Organisationsfähigkeit sowie ein gutes Kommunikations- und Planungstool.

Besonders herausfordernd sind Krankheits- und Schließzeiten. Bei Dauer-Epidemien sind die gesetzlichen Krankheitstage und individuelle Urlaubstage schnell aufgezehrt. Eine unterstützende Versorgung durch andere Familienmitglieder gestaltet sich aufgrund weiterer Distanzen meist schwierig. Ein Zusammenschluss kranker Kinder und die Betreuung im befreundeten Elternkreis könnte eine Alternative sein, muss aber vom Kind akzeptiert werden.

Ein weiteres interessantes Konzept stellt die "Miete von Großeltern" dar. Bereitwillige Senior(inn)en kümmern sich meist für wenig Geld um fremde Kinder, weil sie keine eigenen Enkel haben oder diese nicht in der Nähe leben. Für Eltern, Kind und Leih-Großeltern stellt dies eine absolute Win-Win-Situation dar. Die Senioren haben eine spannende Aufgabe und können ihr Wissen und Zuwendung weitergeben. Und die Eltern halten sich eine weitere Möglichkeit offen, Arbeit und Kind zusammenzubringen.

Erziehungszeit bedeutet Auszeit, nicht Kündigung! Durch seine Abwesenheit kann der Mitarbeiter die eigenen Wünsche evaluieren und sich persönlich weiterentwickeln. Das Unternehmen sollte durchweg Interesse am Pausierenden zeigen und die Beziehung aufrecht erhalten. Die Rückkehr erleichtern verschiedene Unterstützungsangebote in der Betreuung und eine gewisse Flexibilität im Planungsprozess. Alle Maßnahmen können mithilfe von Intranet und entsprechender Unternehmenssoftware effizient koordiniert werden, ohne dass der Aufwand aus allen Nähten platzt.

Quellen: (1) Destatis.de: Geburtenanstieg setzte sich 2016 fort / Pressemitteilung Nr. 115 vom 28. März 2018 (aufgerufen am 11.04.2019) (2) Destatis.de: Geburtenziffer 2017 leicht gesunken / Pressemitteilung Nr. 420 vom 31. Oktober 2018 (aufgerufen am 11.04.2019)